Das Hawelka ist weit mehr als ein Ort, an dem man kurz Halt macht, um Kaffee zu trinken. Es ist Teil der umfassenden Wiener Kulturgeschichte – verbunden mit Witz und Charme. Das Café zählt bis heute als Künstlercafé in Wien – sei es aufgrund der zahlreichen Literaten und Künstler aus vergangener Zeit, die hier ihre Spur hinterlassen haben, oder wegen der jungen Intellektuellen, die es immer wieder gerne aufsuchen. Seit nunmehr drei Generationen wird das Café von der Familie Hawelka geführt und bietet nicht nur ein Ambiente voller Geschichte, sondern auch eine eigene Rösterei im 23. Bezirk Wiens, in der eine Vielzahl von Kaffeesorten mit traditioneller Trommelröstung hergestellt wird.
Anfang der Geschichte
Das Café Hawelka im 1. Wiener Bezirk stellt eines der letzten großen zentraleuropäischen Tradition entsprechenden Literaten- und Künstlerkaffeehäusern dar, wie in Wien beispielsweise das Café Central vor dem Ersten Weltkrieg und das Café Herrenhof vor dem Zweiten Weltkrieg. Es wird immer noch von der Familie Hawelka geführt, wie einst Leopold Hawelka und seine Frau Josefine, wie vor 80 Jahren, als sie das Cafe eröffneten.
Als 1936 alles gemeinsam anfing…
Leopold Hawelka begann seine lange Karriere als Cafétier mit dem Café Alt Wien in der Bäckerstraße im Jahr 1936. Doch im Mai 1939 entschieden die Hawelkas das heruntergekommene Café Karl in der Dorotheergasse zu übernehmen. Diese Räumlichkeiten wurden ursprünglich 1913 als die „Chatham-Bar“ eröffnet, die erste „American Bar“ in Wien, mit Livemusik und einem chambre separée (jetzt ein Lagerraum). Die elegante Inneneinrichtung, wovon Teile bis heute erhalten sind, war von Rudolf Schindler, einem Schüler von Otto Wagner und Adolf Loos, der später auch im Studio von Frank Lloyd Wright in den USA gearbeitet hat. Die getäfelte Decke im hinteren Teil des Kaffeehauses war erst in den Sechziger Jahren von Herrn Hawelka zufällig wiederentdeckt und eröffnet worden.
Die Geschichte des Kaffeehauses
Der Ausbruch des Krieges im September 1939 zwang das neue Café Hawelka zu schließen. Als die Hawelkas 1945 nach Wien zurückkehrten, stellten sie fest, daß ihr Kaffeehaus wie durch ein Wunder, trotz der beträchtlichen Schäden an den meisten umliegenden Gebäuden, den Krieg ohne eine einzige zerbrochene Glasscheibe überlebt hatte. Das Haus war auch eines der Ersten, das wieder an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen war. Das Wien der Nachkriegszeit wurde in Carol Reed’s berühmtem Film „Der dritte Mann“ anschaulich dargestellt; Tatsächlich ist die Casanova Bar, die im Film vorkommt, neben dem Hawelka. Trotz all der Mängel der zerstörten Infrastruktur und der Gefahren des Schwarzmarktes waren die Hawelkas imstande, die wichtigsten Vorräte zu erwerben und das Kaffeehaus im Dezember 1945 wiederzueröffnen.
Der schwere Anfang
Der Kaffee wurde auf einem Holzofen zubereitet und als der kalte Winter kam, mußte Herr Hawelka selbst einen Handkarren nehmen und im Wiener Wald Feuerholz sammeln, während Frau Hawelka sich um die Gäste kümmerte. Das Kaffeehaus wurde bald ein günstig gelegener, zentraler Treffpunkt für die Einwohner einer besetzten und geteilten Stadt und für diejenigen, die vom Krieg oder aus der Emigration zurückkehrten, lieferte es die ideale Umgebung um vor dem Elend der Zeit zu flüchten. Die warme und friedliche Atmosphäre des Kaffeehauses erwies sich als besonders attraktiv für Schriftsteller und Intellektuelle, für viele von ihnen wurde es bald ein zweites Zuhause.
Ein Kaffeehaus wird entdeckt
Nachdem die Alliierten 1955 Wien verließen, wurde das Café Hawelka von Schriftstellern wie Friedrich Torberg, Heimito von Doderer, Hilde Spiel und Hans Weigel besucht. Mit der Schließung des Café Herrenhof 1961 übersiedelten die meisten der verbliebenen Mitglieder des einflußreichen Schriftstellerkreises ins Hawelka und das kleine Kaffeehaus herrschte unangefochten als das Literatencafé.
Die späten Fünfziger und frühen Sechziger Jahre waren nicht nur eine Zeit der großen Literatur und künstlerischen Aktivität in Österreich, sondern auch des großen wirtschaftlichen Wachstums. Die neuen Espressobars nach italienischer Art, die zu der Zeit überall in Wien eröffnet wurden, schienen viel besser zu dem schnelleren Leben zu passen als das traditionelle Kaffeehaus und tatsächlich wurden viele große Kaffeehäuser geschlossen, um den Weg für Banken oder Autoschauräume frei zu machen. Herrn Hawelkas einziges Zugeständnis an die Moderne war, eine Espressomaschine zu installieren (die manche Gäste mit ihrem Lärm irritierte), aber das Kaffeehaus überlebte durch die Loyalität seiner Stammgäste als zeitloser Raum.
Eine Wand wurde mit Plakaten bedeckt, die die neuesten Ausstellungen, Konzerte und Lesungen bewarben (eine Innovation von Herrn Hawelka, die nun in den meisten Cafés Österreichs Anklang gefunden hat), an den anderen Wänden wuchs Herr Hawelkas Sammlung von Bildern seiner talentierteren Gäste (immer zum Marktpreis erworben!).
Die große Zeit der Kunst und Literatur
Während der Sechziger und Siebziger Jahre stellte das Café Hawelka alles dar, was in der Wiener Künstlerszene frisch und energiegeladen war. Ebenso wie die meisten Mitglieder des Phantastischen Realismus, fanden sich unter den Stammgästen der Dichter H.C. Artmann, die Schriftsteller Gerhard Rühm und Konrad Bayer, die Schauspieler Helmut Qualtinger und Oskar Werner, der Multimediakünstler André Heller, der Dirigent Nikolaus Harnoncourt, der Architekt Friedrich Achleitner, der Sänger Georg Danzer und der Fotograf Franz Hubmann, der das Kaffeehaus über die Jahrzehnte durch seine Bilder verewigt hat. Berühmtheiten aus dem Ausland versäumten nie, das Café Hawelka zu besuchen, wenn sie in Wien waren: Elias Canetti, Henry Miller, Arthur Miller und Andy Warhol, um ein paar zu nennen. Politiker und Journalisten strömten in das Kaffeehaus, um die neuesten Trends zu entdecken. Die Menge kam, um zu sehen und gesehen zu werden, und das Café Hawelka wurde eine Institution, und Herr und Frau Hawelka wurden genauso berühmt wie ihre Gäste.
Das Ansehen des Café Hawelka erstreckte sich bis in die Reiseführer und als die enfants terribles der Sechziger Jahre in das Establishment aufgenommen wurden und Dozentenstellen antraten, wurden ihre Plätze in den Kaffeehäusern von Touristen eingenommen und von solchen, die hofften, sich im Rampenlicht der übrigen Berühmtheiten sonnen zu können.
Während die Goldenen Jahre wohl vorüber sind, ist es die äußere Welt, die sich verändert hat, nicht das Café Hawelka. Es stellt immer noch eine Zuflucht für viele Künstler, Schriftsteller und Musiker dar.
Die dritte Generationen von Hawelkas arbeitet jetzt im Kaffeehaus. Herr Günter Hawelka führt tagsüber den Vorsitz, grüßt jeden Gast persönlich, und am späten Abend weht, wie an jedem Abend seit einem dreiviertel Jahrhundert, der Duft von Frau Hawelka’s legendären Buchteln durch den Raum.